Warum gelingt es uns manchmal mühelos, konzentriert zu bleiben – und manchmal gar nicht? Eine neue Studie aus den Laboren von Florian Engert in Harvard, der Forschungsgruppe von Hanna Zwaka am LIN und Armin Bahl an der Universität Konstanz zeigt, wie Aufmerksamkeit entsteht und wodurch sie beeinflusst wird. Die Forschenden zeigen: Gene und Umwelt wirken dabei zusammen – aber auf unterschiedliche Weise.

Im Fluss der Aufmerksamkeit

Um das besser zu verstehen, haben die Forschenden Zebrafische als Modellorganismus untersucht. Das Verhalten dieser Tiere erlaubt es, sehr genau zwischen inneren und äußeren Einflüssen zu unterscheiden. In der Natur orientieren sich Zebrafische an der Strömung und schwimmen gegen sie. Im Labor wurde diese Strömung durch ein sich bewegendes Muster nachgebildet. Normalerweise folgen die Fische dem Reiz – aber eben nicht immer.

Müde Fische erkunden weniger ihre Umwelt, sie sind sehr darauf fokussiert, dem Reiz zu folgen, der ihnen die Richtung gibt. 

Hanna Zwaka wollten wissen, ob es diese genügsamen Fische auch unter ausgeschlafenen Fischen gibt. Dafür hat Kumaresh Krishnan, Mitarbeiter im Labor von Florian Engert, die existierenden Forschungsdaten auf eine neue Art analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Fische zwischen Phasen wechseln, in denen sie aufmerksam sind, und solchen, in denen sie sich nicht konzentrieren. Egal ob ausgeschlafen oder nicht.

Das war nicht, wonach wir zunächst suchten, aber so auffällig, dass Kumaresh Krishnan den Weg weiter ging. 

Aufmerksamkeit ist kein Dauerzustand

So wie wir beim Lesen plötzlich abschweifen, wechseln auch Fische zwischen Fokus und Ablenkung. Kumaresh beobachtete sie genau, um zu beschreiben, wann die Tiere ihre Aufmerksamkeit auf einen Reiz richten – und wann nicht. Dabei nutzte er mathematischen Modelle in Zusammenarbeit mit Armin Bahl aus Konstanz. 

Er fanden dabei zwei Dinge heraus:

  • Wie oft Aufmerksamkeit überhaupt aktiviert wird.
  • Wie gut sie funktioniert, wenn sie da ist.

Diese Unterscheidung zeigt: Die Gene beeinflussen, ob Aufmerksamkeit entsteht. Die Umwelt bestimmt, wie gut wir sie nutzen.

Wer sich grundsätzlich konzentrieren kann, reagiert nicht automatisch immer gleich gut. Die Umwelt, in der wir aufwachsen macht den Unterschied. Lärm, Reizvielfalt, mangelnder Schlaf, Stress können die Leistung schwächen – selbst wenn wir Aufmerksamkeit vererbt bekamen. Die Umwelt legt also nicht fest, ob wir aufmerksam sind, aber sehr wohl, wie gut wir es sind.

Warum das wichtig ist

Aufmerksamkeit prägt unseren Alltag: Sie hilft uns, Gefahren zu erkennen, Entscheidungen zu treffen und Neues zu lernen. Wenn wir verstehen, wie sie entsteht, verstehen wir auch besser, warum sie manchmal gestört ist, etwa bei ADHS.

Dieses Wissen kann neue Wege eröffnen, gezieltere Behandlungen zu entwickeln und Umgebungen zu schaffen, die Konzentration unterstützen, sei es im Alltag, in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Kleine Fische, große Hilfe

Zebrafische eignen sich besonders gut für diese Forschung, weil ihr Gehirn und ihre Nervenzellen viele grundlegende Gemeinsamkeiten mit denen des Menschen aufweisen: Sie sind Wirbeltiere und nutzen ähnliche Botenstoffe wie wir, etwa Dopamin, Serotonin und Acetylcholin. Ihre Gehirnstrukturen sind vergleichbar zu unseren aufgebaut – aber viel kleiner und durchsichtig, was Einblicke in die Aktivität lebender Nervenzellen erlaubt. Und auch genetisch ähneln viele Gene und Signalwege unseren menschlichen stark.

Weil die grundlegenden Mechanismen ähnlich sind, lassen sich Erkenntnisse aus Zebrafischen gut auf andere Tiere und letztlich auch auf Menschen übertragen.

 

Forschung ist Teamarbeit

Die Studie ist ein gemeinsames Projekt der Teams von Florian Engert an der Harvard University, Hanna Zwaka am LIN und Armin Bahl von der Universität Konstanz. Alle verbindet die Neugier darauf, wie Aufmerksamkeit entsteht und wie dieses Wissen unser Verständnis von Verhalten und Lernen verändern kann.

 

zur Studie

Diese Seite teilen: