Forschungszusammenarbeit in Corona-Zeiten: Carolina Montenegro im Video-Chat mit Ihren Kooperationspartnern Craig Garner, Sheila Hoffmann-Conaway und Eckart Gundelfinger. (Foto: Reinhard Blumenstein/ LIN

Forschungszusammenarbeit in Corona-Zeiten: Carolina Montenegro im Video-Chat mit Ihren Kooperationspartnern Craig Garner, Sheila Hoffmann-Conaway und Eckart Gundelfinger. (Foto: Reinhard Blumenstein/ LIN

Synapsen bestehen aus Hunderten verschiedener Proteine. Damit sie Hirnsignale richtig übertragen können, müssen ihre Bausteine ständig auf Funktionalität überprüft und bei Verschleiß durch neue ersetzt werden. Ein Forscherteam des Leibniz-Institutes für Neurobiologie Magdeburg (LIN), vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Charité in Berlin hat untersucht, wie sich die Funktionsweise von Synapsen im Gehirn entwickelt, wenn das wichtige Synapsen-Protein Bassoon fehlt. Sie fanden heraus, dass der Recycling-Prozess von Synapsenbausteinen dann viel schneller abläuft, weil ein Enzym namens Parkin aktiviert wird, das auch bei der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielt. Die Studie wurde im Journal eLIFE veröffentlicht.

Bisher war über das Enzym Parkin bekannt, dass der Ausfall seiner Funktion zur Parkinson-Erkrankung, auch als Schüttellähmung bekannt, führt. Dabei reichern sich Aggregate von Proteinen im Hirngewebe an, die nicht mehr abgebaut werden können, was – wie immer, wenn sich zu viel Müll ansammelt – normale Funktionen beeinträchtigt und schließlich zum kompletten Funktionsausfall durch den Zelltod führt.

 

Aufräumen in der Synapse

Das Autorenteam um Carolina Montenegro und Eckart Gundelfinger vom LIN, Sheila Hoffmann-Conaway und Craig C. Garner vom DZNE sowie die Charité-Forscher Marisa Brockmann und Christian Rosenmund zeigt in der neuen Studie, dass nach der Ausschaltung des Bassoon-Proteins genau das Gegenteil passiert: der „Synapsen-Müll“ wurde schneller abgeholt und die aktiven Proteine waren jünger als in den vergleichbaren Kontrollen. Um das herauszufinden, haben die Forschenden einem der zu entsorgenden Proteine namens SV2 farblich markierte Anhänger verpasst, die ihre Farbe mit zunehmendem Alter ändern – ein Marker für die neuronalen Entsorgungsprozesse. Das markierte SV2-Protein gelangt stellvertretend für sein unmarkiertes Pendant in synaptische Vesikel, die kleinen Container, die die Botenstoffe enthalten und bei der synaptischen Übertragung ausgeschüttet werden. Anhand des Farbwechsels kann der Alterungsprozess des aktiven Proteins beobachtet werden. Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich weitere Hinweise auf verstärkte Entsorgung von zellulärem Müll – ein Prozess der Autophagie heißt, z.B. eine größere Anzahl von „Müllcontainern“, so genannte Autophagosomen. Die Autoren konnten zeigen, dass in Synapsen ohne Bassoon mehrere Proteine verstärkt für den Abbau markiert wurden. Wurde aber das bei Parkinson defekte Protein Parkin ausgeschaltet, so konnte diesem Prozess entgegengewirkt werden.

 

Was lernen wir aus diesen Versuchen?

Synapsen ohne Bassoon sind schwächer und können sich nicht so leicht an Veränderungen anpassen, was aber für die Hirnplastizität essentiell ist. „Wir verstehen durch unsere Versuche die Prozesse in den Synapsen, die für das korrekte Funktionieren des gesunden Gehirns unerlässlich sind, besser“ sagt Carolina Montenegro. „Alle wichtigen Hirnprozesse, Wahrnehmen, Denken, Lernen, Erinnern, Planen für unser Handeln, also die gesamte Informationsverarbeitung, werden durch Synapsen bestimmt. Im Alter verändert sich die Funktionsweise, auch weil solche Müllentsorgungsprozesse nicht mehr richtig funktionieren. Besonders bei Erkrankungen des Gehirns wie bei der Alzheimerschen oder der Parkinson-Erkrankung tragen Störungen im Gleichgewicht von Proteinanlieferung und –Entsorgung zu den kognitiven Problemen bei.“

Um diese Erkrankungen zu verstehen, und vielleicht sogar zielgerichteter eingreifen zu können, müssen wir genau wissen, was schiefgeht, wenn ein Protein bzw. sein Gen falsch oder gar nicht funktioniert.

 

Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg

Das LIN ist ein Grundlagenforschungsinstitut, das sich Lern- und Gedächtnisprozessen im Gehirn widmet. Das LIN wurde 1992 als Nachfolgeeinrichtung des Institutes für Neurobiologie und Hirnforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR gegründet und ist seit 2011 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es bildet einen der Eckpfeiler des Neurowissenschaftsstandortes Magdeburg. Das LIN beherbergt moderne Labore für die neurowissenschaftliche Forschung – vom Hightech-Mikroskop bis zum Kernspintomographen.

Aktuell arbeiten rund 230 Personen am LIN, davon ungefähr 150 Wissenschaftler aus rund 28 Ländern. Sie erforschen kognitive Prozesse und deren krankhafte Störungen im Gehirn von Mensch und Tier.

Die Studie ist online zu finden unter: elifesciences.org/articles/56590

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